Immer häufiger liest man von überforderten Menschen, die von einem überdrehten und hyperaktiven Hund berichten und um Hilfe bitten. Während bei vielen Hundehaltern wohl eine nicht ausreichende Auslastung der Vierbeiner zu Grunde liegt, gibt es aber auch das andere Extrem: Überbeschäftigung.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage “Wie viel Beschäftigung benötigt mein Hund?” und soll als Diskussionsgrundlage dienen. Mich interessiert eure Meinung zu dem Thema und wie ihr zu diesem heiklen Thema steht.
Und täglich grüßt das Murmeltier…
Wir kennen Leute, die stehen morgens um fünf mit ihrem Hund im Wald und machen einen einstündigen Marsch, weil der Hund das einfordert. Wir kennen Leute, da hat der Hund einen festen Wochenplan am Kühlschrank hängen und jeden Tag von morgens bis abends Entertainment – weil der Hund das braucht. Wir kennen Leute, die stehen zwei Stunden lang auf einer Wiese und werfen einen Ball (und holen ihn auch gerne selbst zurück, um ihn anschließend wieder zu werfen) – weil dem Hund das so großen Spaß macht.
Überbeschäftigung beim Hund
Wir selbst haben einen Hund, der bis zu 20 Stunden am Tag schläft und den man im Haus kaum wahrnimmt. Wir müssen unseren Hund morgens um sieben regelrecht zwingen mit uns eine Mini-Runde Gassi zu gehen, damit vor der Arbeit noch schnell Pippi gemacht werden kann. Am Liebsten würde unser Hund nämlich einfach liegen bleiben und vor 12 Uhr sein Bett nicht verlassen.
Wir haben auch einen Hund, der kaum zu bremsen ist und der mit seinem Antrieb beim Rennen das Gras aus der Erde reißt oder meterhohe Sandwolken aufwirbelt. Der selbe Hund tänzelt wie verrückt um jeden anderen Hund und macht Spielaufforderungen, bis es entweder eine unfreundliche Ansage von Mensch oder Hund gibt oder der andere Vierbeiner mit einsteigt und sich beide bis zum Umfallen über die Wiese jagen. Das ist der selbe Hund, wie die beschriebene Schlafmütze zuvor. Es ist unsere Maya. Ein tiefenentspannter Wirbelwind!
Ein hausgemachtes Problem?
Ich möchte nun nicht behaupten, dass es keine Hyperaktivität bei Hunden gibt – das gibt es sicherlich! – aber ich glaube, dass viele der Probleme hausgemacht sind und man nicht sofort zu Ritalin und anderen Medikamenten greifen sollte, um seinen Hund damit ruhig zu stellen. Besonders in Amerika scheint ADHS eine weitverbreitete Diagnose bei Hunden zu sein – ähnlich, wie heutzutage scheinbar jedes Kind erstmal ADHS hat. Als ich damals Kind war, war aktives Verhalten völlig normal. Ich weiß noch, dass ich an Ferientagen morgens das Haus verlassen habe und erst abends irgendwann völlig aufgedregt nach Hause kam. 6 Wochen lang. Jeden Tag. Ich war einfach nicht müde zu bekommen.
Genauso ist das mit den Hunden. Wer seinem Hund von Welpen-Tagen antrainiert, dass ab morgens um fünf direkt volles Programm – mit einer Stunde Auslauf im Wald und einer ausschweifenden Trainingseinheit “Dummyarbeit” –ist, der braucht sich nicht wundern, wenn dies vom Hund irgendwann eingefordert wird und er jeden Morgen, pünktlich um fünf neben dem Bett steht. Und wenn der Hund das Haus an Tagen auseinandernimmt, an denen das Programm mal ausfallen muss, darf man sich eben auch nicht wundern.
Wir sind es mit Maya von Anfang an sehr entspannt angegangen. Früh am Morgen und spät am Abend geht es bei uns von Anfang an nur ganz kurz raus. Nach ca. 15 Minuten sind wir jeweils wieder in der Wohnung. Zum Pippi machen reicht das vollkommen aus. Actionreiches Programm gibt es bei uns in der Mittagszeit und nochmal gesteigert nach Feierabend. Wir gehen also an Werktagen im Schnitt vier Mal am Tag mit Maya raus – 2x kurz, 2x lang. Dazwischen sind Ruhephasen und Maya liegt tiefenentspannt in ihrem Hundebett oder kuschelt mit uns auf dem Sofa.
Der Hund mit dem Wochenplan
Es gibt Menschen, die neigen dazu alles zu planen. Nichts soll zufällig passieren – alles soll perfekt sein. Am Besten kommt der Hund schon stubenrein und leinenführig zur Welt. Da das aber natürlich nicht geht, sind die Welpenstunden und Erziehungsstunden bei Hundetrainern bereits vor dem Wurf gebucht und ein strenger Tagesablauf für das kleine Fellknäuel wird geplant, damit bei Übernahme vom Welpen dann alles seine vorgesehenen Wege gehen kann.
Versteht mich bitte nicht falsch: Erziehung und Auslastung ist wichtig! Ganz wichtig! Aber Ruhe ist in unseren Augen mindestens genauso wichtig und wird leider von viel zu vielen Menschen total unterschätzt.
Ich gehöre zum Schlag Menschen, die es nicht richtig finden einem Hund einen festen Wochenplan zu schmieden. Wo kann der Hund da er selbst sein? Muss der Hund wirklich an jedem Wochentag irgendeinen festen Programmpunkt haben und fünf unterschiedliche Sportarten ausüben? Muss der Hund wirklich jedes Turnier mitlaufen und jeden Tag für irgendetwas trainieren? Klar muss ein Hund jeden Tag raus und man möchte auch etwas mit ihm erleben, aber muss man wirklich jeden Tag stundenlang nach einem festen Plan trainieren oder sich jeden Tag irgendeiner Sportart widmen? Muss der Hund wirklich jeden Tag irgendwelche “Playdates” mit Artgenossen haben oder jedem Hund auf der Straße Hallo sagen? Kann man nicht einfach mal spazieren gehen und die Natur genießen? Einfach mal die Seelen baumeln lassen? Abschalten vom Alltag?
Ruhetage einbauen
Bei uns gibt es daher von Anfang an Ruhetage. Tage, an denen ich mit Maya nur kleine Runden gehe, auf denen sie einfach nur schnüffeln und die Gegend erkunden kann. Tage, an denen wir keine “Kilometer reißen”, sondern einfach nur einmal um den Blog gehen. Und dann gibt es Tage, an denen ich mit ihr unaufhaltsam tobe, raufe und renne – gerne auch stundenlang. An manchen Tagen steht Gehorsam auf der Tagesordnung, an anderen das Einstudieren von Tricks oder das Auffinden verlorener Spielsachen. Manchmal sind wir auch mit ihren Hundekumpels verabredet und Maya tobt stundenlang über Wiesen und Felder. Am Wochenende gehen wir auch mal gerne seeehr große Runden und sind manchmal den ganzen Tag unterwegs – aber niemals würde ich mit meinem Hund 7 Tage die Woche volles Programm machen. Bei uns gibt es immer Tage der Ruhe dazwischen. Immer!
Wundermittel: Mittagsschlaf
Warum wir keine Freunde von zu viel Action sind? Das sieht man eindrucksvoll, wenn wir Urlaub haben. Urlaub bedeutet bei uns immer Ausnahmezustand bei Maya: sie schläft sehr wenig, hat sehr viel zu entdecken, trifft unzählige andere Hunde. Überall riecht es anders und die Geräusche (vor allem beim Zelten) sind auch ungewohnt. Klar, es ist Urlaub… da kann man das ja mal durchgehen lassen. Die Folge ist ein völlig überdrehter Hund, der längst über den Punkt der Müdigkeit hinweg ist und einfach nur noch aufdreht und quängelig ist. Wie ein kleines Kind. Da wird dann bei jedem Geräusch und bei jeder Bewegung geknurrt und gebellt, da wird verteidigt und provoziert. Die einzige Lösung für so eine Situation ist: Zwangsruhe!
Wir haben Maya daher schon im Welpen-Alter ankonditioniert, dass sie sich entspannen kann/soll, wenn sie in ihren Softkennel geschickt oder zugedeckt wird. Das hat zur Folge, dass Maya sofort “runterkommt”, sobald sie in ihrer Box ist oder eine Decke auf ihr liegt. Sie kann eben noch draußen über Felder gerannt sein oder stundenlang aufgeregt Mäuschen gejagt haben: aber mit diesem Ruheritual kommt sie sehr schnell runter und kann sich entspannen. Und wir können dann auch wieder entspannen.
Hat der Hundehalter erst einmal verstanden, wie wichtig Auszeiten für die Fellnasen sind, wird viel mehr Ruhe und Ausgeglichenheit in das Rudel kommen.
Hunde die ausgeschlafen sind, sind viel entspannter. Besonders bei Maya stellen wir das immer wieder fest. Man kann bei ihr genau erkennen, wann sie zu wenig Schlaf hatte: sie ist dann ängstlich und unsicher, sie ist quängelig und wird brummelig. Gott sei Dank kann man das “Ruhen” jedem Hund beibringen… egal in welchem Alter. Und schnell gewöhnt man sich an das kuschlige Beisammensein und die Zweisamkeit mit der kleinen lebenden Wärmflasche.
Ruhepausen durchsetzen!
Wer also unbedingt einen 24/7 Wochenplan für Hunde haben möchte, der sollte unbedingt Ruhezeiten mit einplanen und diese auch durchsetzen. Und zwar viele, denn der gesunde und ausgeglichene Hunde schläft bis zu 20 Stunden am Tag.
Ich als Mensch würde ja schließlich auch nicht wollen, dass jemand 7 Tage die Woche rund um die Uhr ein Entertainment-Programm für mich hat und darauf achtet, dass ich auch zu jedem Termin pünktlich komme und ja nichts verpasse. Ich habe mittlerweile sogar den Eindruck, dass Maya uns für die verordneten Ruhephasen und -tage sehr dankbar ist und diese in vollen Zügen genießen kann.
Wer euch erzählen will, dass ganz normale Spaziergänge an der Leine für einen Hund nicht aufregend genug sind oder ein Hund auf jeden Fall frei laufen muss, damit er etwas erlebt und ein Spaziergang an der Leine “nicht artgerecht ist”, der hat in meinen Augen keine Ahnung.
Wenn euch so ein rücksichtsloser “mein Hund hört zwar nicht, darf aber immer freilaufen, damit er ausgelastet ist”-Mensch entgegen kommt und euch den Tierschutz wegen Tierquälerei (Hund an der Leine: Skandal!) auf den Hals hetzen möchte, denkt mal an mich! 🙂
Eure Meinung ist gefragt!
Wie steht ihr zur Überbeschäftigung? Sind hyperaktive Hunde teilweise eine Frage der Erziehung bzw. der Überbeschäftigung oder ist mein Eindruck falsch?
Habt ihr einen festen Wochenplan in Sachen Training und Beschäftigung? Wie viel unternehmt ihr mit eurer Fellnase? Wie lange schläft euer Hund und gibt es bei euch auch Ruherituale, damit euer Hund sich in oder nach bestimmten Situationen schneller entspannen kann?
Schreibt mir gerne eure Meinung unter diesen Artikel!
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